Leserbrief zum Artikel „Regisseur sagt Thalia aus politischen Gründen ab“
veröffentlicht im Hamburger Abendblatt am 5.12.2015
Dass der lettische Regisseur Alvis Hermanis eine geplante Inszenierung am Thalia mit Hinweis auf die in diesem Haus dankenswerter Weise praktizierte Willkommenskultur platzen lässt, ist erschreckend – ein alarmierendes Signal dafür, dass der Streit innerhalb Europas über eine weltoffene Flüchtlingspolitik auch die Kultur erfasst. Und Kultur hat doch eigentlich die Chance und Gabe, Brücken zu bauen! Mag Hermanns verständlicher-weise durch die Pariser Bluttat traumatisiert sein – einen Zusammenhang zwischen Zu-wanderung und Islamistischem Terror herbeizureden, ist fehl am Platz. Joachim Lux und andere Theatermacher in Hamburg sollten unbeirrt ihr Engagement für eine humanitär geprägte Auseinander-setzung mit den Flüchtlings-schicksalen und den inter-kulturellen Dialog fortsetzen. Jetzt erst recht.
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parlamentarische Staatssekretärin a.D. Vorsitzende des Kulturforums Hamburg e.V.
Sehr geehrte Mitglieder der Verhandlungs-Kommission,
nach der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 treten Sie nun in Verhandlungen über die Bildung einer rot-grünen Koalition ein. Das Kulturforum Hamburg e.V. appelliert an Sie, die kulturpolitischen Erfolge der jetzt beendeten Legislaturperiode zu sichern, Handlungsspielräume zu nutzen und Neues zu ermöglichen.
Wir haben die Kulturpolitik in der vergangenen Legislaturperiode kritisch und konstruktiv begleitet. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die zu Beginn der Legislaturperiode gegebenen Versprechen – vor allem die Rücknahme der vom Vorgänger-Senat vorgenommenen Kürzungen – in vollem Umfang gehalten worden sind. Damit wurde das Fundament für einen neuen Dialog zwischen Politikern, Kulturschaffenden und Kunst-Interessierten und einen Umgang gelegt, der von Wertschätzung und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Barbara Kisseler hat maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg und der neuen Aufbruch-Stimmung. Die Klagen über eine Krise oder gar einen Notstand der Kulturpolitik sind verstummt. Diskutiert wird nun über Leistungen und Perspektiven für die Kulturschaffenden, die Künste und ihre Institutionen und über ihr positives Wirken innerhalb der Stadtgesellschaft. Das neu erwachte kulturelle Selbstbewusstsein hat Strahlkraft weit über die Grenzen Hamburgs hinaus.
Diese Entwicklung gilt es zu fördern! Einen Stillstand darf es nicht geben.
Hamburg muss sich als Musikstadt weiter entfalten. Die Elbphilharmonie soll ein Ort für alle Hamburgerinnen und Hamburger werden. Gleichzeitig gilt es, die Kultur in ihrer Breite zu stärken. Wir brauchen weiterhin Spielräume, um Künstlern in den unterschiedlichen Bereichen die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Beitrag für eine lebendige Kulturmetropole zu leisten.
Die Bildende Kunst sollte in Hamburg stärker gewichtet und gewürdigt werden.
Die Chancen für eine kulturpolitische Offensive stehen gut. Sie dürfen nicht gefährdet werden! Wir kennen die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen. Die Politik sollte aber den besonderen Eigenschaften des Kulturhaushaltes Rechnung tragen. Kein anderer Einzelplan hat ein kleineres Volumen, und nirgend sonst sind die Möglichkeiten für Umschichtungen infolge von Verträgen und Festlegungen ähnlich stark beschränkt.
Wir fordern im Einzelnen:
Wir wissen, dass der Kulturhaushalt im Wettbewerb mit anderen Ressorts und deren sicherlich ebenfalls berechtigten Forderungen steht. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass eine kluge, ambitionierte und nach vorn gerichtete Kulturpolitik einen entscheidenden Beitrag zum Ansehen Hamburgs und für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt liefert.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Vorsitzende
(Auch im Namen der stellvertretenden Vorsitzenden Anke Kuhbier und Claudia Postel sowie Gert Hinnerk Behlmer, Freimut Duve, Franziska Gevert, Renate Kammer, Ulrike von Kieseritzky, Ulrike Sonntag-Kroll, Dr. Isabella Vértes-Schütter und unserer „kooptierten“ Vorstandsmitglieder Christa Brockmann, Fabio Cecere, Timo Hempel, Jens Pesel, Hermann Scheunemann, Thomas Sello und Ekkehard Thamm)