„Alles, was Oper kann!“ - Diskussion mit Tobias Kratzer

Montag, 24. März 2025 um 19 Uhr, Kulturfabrik Kampnagel,

Jarrestraße 20, 22303 Hamburg

 

Bewegte Zeiten in unserer Theater-Landschaft! An der Hamburgischen Staatsoper bricht nach der Sommerpause eine neue Ära an: Tobias Kratzer, derzeit besonders erfolgreicher und vielgelobter Opern- und Theaterregisseur, wird Intendant. Er ist 45 Jahre alt, inszenierte u.a. in München, Berlin, Bremen, Luzern, Graz und Nizza. „Alles was Oper kann!“ Unter dieses Motto stellt er das Programm seiner ersten Spielzeit. Das verspricht eine große Spannweite des Musikdramas. – Das Kulturforum Hamburg freut sich, schon jetzt einen Gesprächsabend mit dem künftigen Opernchef anbieten zu können. Zum Kennenlernen, zum Ausloten seiner Pläne (soweit er sie schon verrät…)

 

Moderation: Verena Fischer-Zernin (Kulturressort Hamburger Abendblatt)

Fotos: Gert Hinnerk Behlmer und Thomas W. Kraupe

Dicht sitzt das Publikum in der kmh auf Kampnagel, als der zukünftige Intendant der Hamburgischen Staatsoper kommt, um sich den Mitgliedern und Gästen des Kulturforums vorzustellen und Fragen zu beantworten. „Kratzer wollen alle. Da hat Hamburg zugeschlagen“, zitiert die Moderatorin eingangs. Der 45-jährige Kratzer, der diesen Sommer auf Georges Delnon als Intendant des Hauses an der Dammtorstraße folgt, gilt als eine der spannendsten Stimmen im Opernbetrieb. Als Regisseur ist er spätestens seit seiner Tannhäuser-Inszenierung 2019 in Bayreuth bekannt, zuletzt wurde er Regisseur des Jahres 2025. Er blickt erwartungsvoll auf die kommenden fünf Jahre.

 

Mit der Staatsoper übernimmt der gebürtige Bayer ein Repertoire-Haus, dessen Neuproduktionen er in der ersten Spielzeit unter das Motto „Alles, was Oper kann“ stellt. „Es geht um Möglichkeitsfelder und Erkundungen der verschiedenen Gattungen, die Oper zu bieten hat.“ Dazu werde man Repertoire spielen, das man vielleicht „nicht so kennt“. Im ersten Jahr möchte er noch viel selbst inszenieren, um das Haus kennenzulernen und sich den Bürgern vorzustellen. In den kommenden Jahren werde das weniger. Als zentralen Ausgangspunkt seiner Arbeitsweise nennt er die Partitur, eine „privatistische Ebene“ in Inszenierungen sollte man vermeiden. Kratzer spricht schnell und enthusiastisch und ist an diesem Abend nicht aus dem Konzept zu bringen. „Meine Kreativität entzündet sich an Musik. Wenn ich Musik höre, dann will ich das bebildern, weil mir sonst eine Ebene fehlt“, erzählt er.

 

Er plaudert über seine favorisierten Inszenierungen des aktuellen Spielbetriebs (Lohengrin, Tristan & Isolde, Ariadne und Salome). Von der „K-Oper“ (Kühne) spricht er als „großzügiges Geschenk, das die Bedingungen der Mitarbeitenden verbessern soll“. Auf die hohe Geldsumme und Zweifel an deren Verlässlichkeit hingewiesen, kontert Kratzer, dass es, doch besser sei, es fließt in die Kunst, als dass es auf einem Schweizer Konto liegt.

 

Das eigene Ensemble will er in seiner Intendanz stärker in den Fokus rücken, doch auch wer große Namen hören will, wird Gelegenheiten bekommen. Das junge Publikum von morgen soll mit günstigen Karten angelockt und gewonnen werden. Und: er möchte anknüpfen an die Phasen, in denen die Hamburger Oper immer am stärksten war: wenn Neues gewagt wurde. Das politische Zeitgeschehen kommentiert eine Inszenierung, die 2026 Premiere feiert: Die eigens in Auftrag gegebene Oper „Monsters Paradise“ (Olga Neuwirth / Elfriede Jelinek) wird den Vormarsch der autoritären Herrscher als Polt-Groteske, thematisieren. „Denn sich mit Genauigkeit etwas entgegen zu setzen, ist das beste Mittel, sich der Verrohung entgegenzustellen“, so Kratzer. Er selbst lässt sich erstmal wenig entgegensetzen. Es wird deutlich, dass ein programmatischer Umbruch stattfindet. Eine neue Generation erobert die Staatsoper. Sie bringt eine gehörige frische Brise mit. (Franziska Herrmann)