Präsenz und Transparenz

Prof. Alexander Klar im Gespräch mit Vera Fengler (Kulturrredakteurin Hamburger Abendblatt)

Mittwoch, 25. September 2019 um 18 Uhr, Werner-Otto-Saal, Hamburger Kunsthalle

Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg

 

Wo stellt man den Mann vor, der über sich selbst sagt, die Gegenwart hätte er immer für „sehr langweilig befunden“, und der Anfang August die künstlerische und wissenschaftliche Leitung der Kunsthalle Hamburg übernommen hat!? Im Museum selbst natürlich!

Zum Gespräch im Werner-Otto Saal gibt sich Prof. Alexander Klar zeitgemäß und offen. Der Kunsthistoriker erzählt, dass sein Interesse zunächst mehr der “Musik als den alten Steinen“ galt. 

Als ihn nach dem Studium kein deutsches Museum wollte, ging er erstmal ans Guggenheim Museum in New York, die Collectionin Venedig, die Kunsthalle Emden und 2010 als Direktor an das Museum Wiesbaden. Im Januar rief Hamburg an. Seine Freunde rieten ihm von diesem “schwierigen Haus“ ab, doch der Widerspruch reizte ihn und er befreite sich, obgleich ringend, aus dem Beamtenverhältnis. 

 

Fotos: Günther von der Kammer

Cornelie Sonntag-Wolgast bei der Begrüßung der Gäste, im Hintergrund Alexander Klar und die Moderatorin Vera Fengler / Kunsthallendirektor Prof. Alexander Klar / Blick ins Publikum

Zur Hälfte sei die Kunsthalle vom Staat finanziert, private Investoren wie die Familie Otto gäben mal eben zwei Millionen, und dann sei da der mit 18.000 Mitgliedern größte Förderkreis eines deutschen Museums mit seinen Beiträgen - so viel zu den Finanzen. “Ein frischer Wind soll durch die Kunsthalle wehen“ betont er. Wie sind denn die Pläne für die kommenden 5 oder 10 Jahre? Moderatorin Vera Fengler, Kulturredakteurin beim Hamburger Abendblatt, hakt nach. Klar holt aus: Im Museum sollten  mehr gesellschaftliche Foren stattfinden. “Es ist ein neutraler Ort, wunderbar geeignet zum Diskutieren und Streiten - mit Würde! Denn mit einem Caspar David Friedrich im Rücken würde man sicher den Ton wahren“. Gleichzeitig ist das Museum “das schönste Fenster in die rückwärtsliegende Zeit“. Alexander Klar hat viele solcher markanter Sätze: Dass „Hollywood stärker ist als wir“ etwa. Das merke man, wenn abends auf einer Veranstaltung über die neueste Netflix-Serie und nicht über Rembrandt oder Goethe geredet wird. „Das Bildungsbürgertum ist der Dinosaurier. Das müssen wir akzeptieren“ -  und überlegen, was in 10 Jahren sein wird. 

Die Galerie der Gegenwart möchte er schnellstmöglich öffnen und am liebsten Ausstellungen durch alle Zeiten hinweg zeigen, um so ein Gefühl für eine ganze Epoche zu vermitteln. “Die Kunsthalle brauche nicht so ein starkes eigenes Image wie z.B. die Deichtorhallen. Die Kunsthalle hat eine Sammlung. Eine Sammlung beschwert, doch sie vereinfacht auch. Denn sie bringt ihre Identität mit. Klar spricht mal mit dem Blick des Programmverantwortlichen, dann wieder mit dem Blick eines Kunstliebhabers, und immer wieder mischt sich auch die Privatperson hinein. Man hört ihm gerne dabei zu. Er möchte „mehr sein als der Kunstverein“ - und sagt das auch gleich. Seine Ansichten seien mehr Mainstream als radikal. Er würde gerne eine Ansprache finden, die viele verstehen, um “die ganze gesellschaftliche Bandbreite ins Museum zu ziehen“. Das wünscht sich sicher jeder Museumsdirektor. Den Punkt mit den hohen Eintrittspreisen und daraus folgend die Forderung nach einem kostenfreien Tag kann er nicht geradlinig bejahen. Die Frage, ob er eine Zusammenarbeit mit Hamburger Künstler*innen plant, hingegen schon. Der Kontakt zu Kunstakademien und jungen Künstler*innen sei ihm wichtig. Er wolle wissen, was hier passiert, so habe er es auch in Wiesbaden gemacht. 

Man merkt ihm an, dass er durch seine Jahre im Ausland ein weniger kopflastiges Kunst-Gucken als in Deutschland gewöhnt war. Er wünscht sich, dass die Menschen wieder mehr ihren Instinkten vertrauen und einen Museumsbesuch wie einen Restaurantbesuch handhaben: Wenn es nicht schmeckt, geht man weiter, ohne zu nörgeln. Das klingt in der Tat international. Hamburg kann sich freuen auf den frischen Wind in der Kunsthalle, dem “Schatzhaus der Hansestadt“. (Franziska Herrmann)