Online-Diskussion:

„Überfällig oder überflüssig? - Zum Streit um Straßennamen und Denkmäler“

am Mittwoch, 9. Juni 2021 um 19 Uhr

 

Derzeit erleben wir in vielen Regionen und Städten eine streckenweise hitzige Auseinandersetzung um Denkmäler und Straßennamen. Zweifellos haben manche der einstmals geehrten, ja verherrlichten Personen und Ereignisse in unserem Stadtbild nichts mehr zu suchen. Diktatoren und üble Menschenverächter etwa. Über andere historisch problematische Repräsentanten, die weiterhin in unseren Parks als Statuen und auf Straßenschildern präsent sind, darf gestritten werden. Soll man sie vom Sockel stürzen, verschwinden lassen? Oder lieber durch Texte und Tafeln verdeutlichen, welche Rolle sie in unserer Vergangenheit – beispielsweise der kolonialen Epoche – gespielt haben? Über die Debatten in Berlin hat der Historiker Peter Brandt eine kritisch-mahnende Abhandlung geschrieben. „Entsorgung von Geschichte im Stadtbild“ nennt er sie. In Hamburg wird um unser spektakulär hochragendes Bismarck-Denkmal, um Titulierungen im beliebten „Generalsviertel“ oder um die Sedanstraße und den Dominkweg in Jenfeld gerungen.

 

Ein Disput mit:

Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker und politischer Publizist

Dr. Johanna Meyer-Lenz, Historikerin, Mitglied der Initiative „Umbenennung Sedanstraße“

 

Aufzeichnung vom 9. Juni 2021 um 19 Uhr auf unserem Youtube-Kanal

Den direkten Link finden Sie hier.

 

Einen Bericht finden Sie hier

 

Ob das das Generalsviertel, die Sedanstrasse oder die Umgestaltung des Bismarck-Denkmals- die Diskussion um historisch belastete Straßennamen und Denkmäler bewegt die Gemüter. So beschäftigte sich auch das Kulturform Hamburg am 9. Juni 2021 damit. Titel der Videokonferenz:  “Überfällig oder überflüssig? - Zum Streit um Straßennamen und Denkmäler“.

 

Dr. Johanna Meyer-Lenz, Historikerin, Mitglied der Initiative „Umbenennung Sedanstraße“ reagierte zu Beginn auf die Kritik von Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker und politischer Publizist, an Umbenennungen von Straßen und Plätzen.. Die von ihm verfasste, kritisch-mahnende Abhandlung trägt den Titel “Entsorgung von Geschichte im Stadtbild“. Für Johanna Meyer - Lenz hingegen sind die Erneuerungen “längst überfällig und keineswegs überflüssig“.

Doch wo verläuft eigentlich die Grenze? Welches sind die Kriterien für eine Neu- Benennung, und welchen Straßennamen können wir heute auf keinen Fall mehr tolerieren?

Es gibt nur Einzelfälle, über die dann individuell zu sprechen ist, da sind sich alle Beteiligten einig. Hitler, Stalin oder NSDAP- Mitglieder auf Straßenschildern sind bereits seit langer Zeit verboten. Aber wie steht es zum Beispiel um Hamburger Kaufmänner, die mit Kautschuk gehandelt haben?

 

Immer wieder dreht sich die virtuelle Gesprächsrunde um das mächtige Bismarck-Denkmal oberhalb der Landungsbrücken. Er zählt zu den umstrittensten Figuren der neueren deutschen Geschichte. Wie geht man mit den konträren Errungenschaften und Charaktereigenschaften einer solchen im Stadtbild verewigten Person um? 

“Die wenigsten sind nur Täter oder nur Opfer“, so Prof. Dr. Brandt. “Oft ist man beides und vereint unterschiedlichste Eigenschaften in sich.“ Hinzu kommt, dass Geschichte ja unterschiedlich wahrgenommen wird und Machthaber im Laufe der Zeit auch anders beurteilt werden.

 

Dass man das Tun von Diktatoren oder Menschenverächtern auf Straßennamen kommentiert, wäre eine Möglichkeit, das Umbenennen zu umgehen und trotzdem notwenige Informationen zu vermitteln.

Tafeln könnten erklären, ergänzen und für die nachfolgenden Generationen vorbeieilender Spaziergänger einordnen, wer die Person gewesen ist und was sie getan hat. 

 

Neben einem Denkmal Gegendenkmaler aufzustellen - so geschehen beim 76er-Denkmal am Bahnhof Dammtor - sei keine gute Lösung, merkten einzelne Teilnehmer in der abschließenden Podiumsdiskussion noch an.

Das Erneuern von Straßenschildern ist ein langer Prozess. So würde man sich doch eigentlich erhoffen, dass genau überlegt würde, welche Namen man verteilt. Die Namensgebung in der Hafencity beweist das Gegenteil. Insgesamt 102 Straßennamen weisen dort einen kolonialen Bezug auf.  

 

Am Ende bedanken sich alle für das ruhige, zivilisierte Gespräch per Video, bei dem man in guter Atmosphäre miteinander in den Diskurs gegangen sei. Es ist doch immer wieder wichtig, in Diskussionen auf die Argumente anderer einzugehen, nicht mit Unterstellungen zu arbeiten und Kontroversen sachlich auszutragen. So geschehen. Das hat das Kulturforum an diesem informativen, engagierten Abend wieder bewiesen. (Franziska Herrmann)